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Morgoth

Morgoth (urspr. Melkor) war der gefallene Vala, Ursprung alles Bösen. Die biblische Analogie zum gefallenen Engel (Luzifer)1 ist nicht zu übersehen. Dabei ist wichtig, darauf hinzuweisen, welche Motivation dafür ausschlaggebend war: Zwar war es seine Insubordination, die ihn zum Abtrünnigen machte, aber am Anfang seines Konflikts mit Ilúvatar und den Valar stand seine Selbstständigkeit. Er war der erste der Ainur, der jemals einen eigenen Gedanken entwickelte und versuchte, diesen umzusetzen2. Aus dem Widerstand, auf den er damit traf, entstand seine Opposition, die sich daraufhin zum Selbstzweck entwickelte. So war es zwar von Anfang an Egoismus, sich selbst zu exponieren3, der Melkor motivierte, dieser ging aber auf ein Geltungsbedürfnis zurück, das Ilúvatar nicht befriedigen konnte. Indem Melkor nicht nur der mächtigste aller Valar, sondern auch der einzige war, der Fähigkeiten aus allen Teilbereichen in sich vereinte, musste er zwangsläufig versuchen, eine eigenständige Schöpfung zu realisieren:

"He had gone often alone into the void places seeking the Imperishable Flame; for desire grew hot within him to bring into Being things of his own, [...] and he was impatient of its emptiness. [...] But being alone he had begun to conceive thoughts of his own unlike those of his brethren."4

Dabei ist der entscheidende Unterschied zwischen Melkor und Aulë (der gleichermaßen den Wunsch nach "Kindern" verspürte und mit der Erschaffung der Zwerge auch umsetzte), dass Melkor durch seine Ausgrenzung aus der Gemeinschaft der Valar seine Gefühle verbergen musste und aus Neid heraus einen Besitzwillen entwickelte, der ihn für immer unfähig zur Schaffung freier Wesen machte. Aus diesem unerfüllten Wunsch nach einer eigenen Schöpfung entwickelte sich dann sein Wille, zu beherrschen (und später zu unterwerfen): "...and he wished himself to have subjects and servants, and to be called Lord, and to be master over other wills"5. So könnte man ihn als Ordnungsfanatiker beschreiben, wenn er anfangs noch den Wunsch äußerte, die Elemente zu zähmen, um Arda bewohnbar zu machen: "he desired to [...] order all things for the good of the Children of Ilúvatar, controlling the turmoils of the heat and the cold..."6.

Einerseits kann man Tolkien anhand dieser Version vom Ursprung des Bösen natürlich vorhalten, durch das Verfechten von Autorität7 bestehende Herrschafts­verhältnisse zu stützen und eine gewisse Obrigkeits­hörigkeit zu vertreten. Anderer­seits sind solche marxistischen Inter­pretationen innerhalb des Werkes nicht besonders brauchbar, um die Natur des Bösen zu ergründen. Somit lässt sich festhalten, dass nicht einmal Morgoth, der "dunkle Feind", von Anfang an "böse" war, sondern von ähnlichen Wünschen beseelt wurde wie Ilúvatar und die Valar. Es ist bemerkenswert, dass diese differenzierte Sicht in MERP konsequent aufgegriffen wird: "The Black Enemy's most fundamental desire, of course, is to create life"8. Besonders für ein Spielsystem würde es sich anbieten, den Teufel, den Morgoth darstellt, als Essenz des Bösen zu beschreiben, ohne ihm lobenswerte Absichten zugute zu halten. Fenlon weist sogar sehr richtig darauf hin, dass Melkor als fünfzehnter der Valar, welche in 7 männliche und 7 weibliche aufgeteilt waren, von Anfang an einen instabilen Faktor darstellte9: Um so mehr dadurch, dass er keine spezifische Begabung besaß wie jedes seiner Geschwister, sondern von allen Bereichen gleich viel verstand, wurde es ihm unmöglich, eine Nische in den Zuständigkeitsbereichen zu finden, wie sie die 14 anderen Valar einnahmen. In einer Position, die seinen Fähigkeiten entsprochen hätte, wäre er in der Tat der König der Valar gewesen. Da diese übergeordnete Stellung aber Ilúvatar vorbehalten war, ist es durchaus berechtigt, seine Rebellion als vorprogrammiert zu bezeichnen. In diesem Punkt zeigt sich, wie genau sich die Autoren von MERP mit Tolkiens Werk befasst haben, um den Spielern ein möglichst differenziertes Bild Mittelerdes vermitteln zu können.

Betrachtet man nun die bildlichen Darstellungen dieses dunklen Herrschers, fällt als Erstes wieder auf, dass Tolkien keinerlei brauchbare Angaben über dessen Aussehen macht. Der Leser bekommt Morgoths fana lediglich als "tall and terrible"10 beschrieben. So ist es eine schwierige, wenn nicht gar undankbare Aufgabe, eine Darstellung des Black Enemy zu konzipieren. Wie an Abbildung 51 und Abbildung 52 zu erkennen ist, reicht das Spektrum von mumienartig verdorrten bis zu affen­ähnlichen Gesichtern (Sogar die unpräzise Beschreibung seiner Waffe11 taucht hier in zwei verschiedenen Inter­pretationen auf: einmal als Hammer, einmal als Morgen­stern12). Vergleicht man damit die Darstellung des christlichen Teufels in Horror und fantasy, so fällt auf, dass hier eine ähnliche Problematik der Unbeschreiblichkeit auftaucht: Um dies zu umgehen, wird Satan in Horror-Spielfilmen meist als Inkarnation in einen menschlicher Körper13 dargestellt, während nur einige fantasy-Filme auf das Bild des pferdefüßigen und gehörnten Dämons zurückgreifen14. Die Implikationen sind deutlich: Indem man dem Bösen eine konkrete Form gibt, macht man es erfahrbar und verringert damit seine Macht, Angst zu verbreiten.

Innerhalb von MERP braucht ein Spieler aber auch nicht unbedingt eine bildliche Darstellung, um Angst um seinen Charakter zu bekommen, wenn er Morgoth begegnen sollte: Als mächtigster der Valar ist Morgoth seinem Bruder Manwë mit Level 500 ebenbürtig und in den meisten anderen Attributen sogar überlegen15. Sein Offensivbonus von 666 ist nicht nur angemessen hoch16, sondern verweist natürlich auch zusätzlich auf seine satanische Natur17. Trotzdem wird hierbei nicht versäumt, Tulkas als Bezwinger Melkors mit der doppelten körperlichen Stärke auszustatten18. In jedem Fall wäre ein sterblicher Krieger angemessen chancenlos gegen den Fürsten der Unterwelt. Selbst hochstufige Elbenkönige wie Fingolfin19 hätten - genau wie Tolkien es beschrieb20 - bestenfalls die Chance, Morgoth ein paar Kratzer beizubringen, bevor sie ihm unterliegen.

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1vgl. auch Nitzsche (1979), p.133.

2Melkor wob als einziger ein eigenes Thema in die Musik der Ainur: Silmarillion, p.16.

3Silmarillion, p.16: "...he sought [...] to increase the power and glory of the part assigned to himself."

4Silmarillion, p.16.

5Silmarillion, p.19.

6Silmarillion, p.19.

7Silmarillion, p.76: "...for those who will defend authority against rebellion must not themselves rebel."

8Fenlon (1993), p.93.

9Fenlon (1993), p.92.

10Silmarillion, p.86.

11Silmarillion, p.400: "The great mace of Morgoth, [...] called the Hammer of the Underworld." (meine Unterstreichung)

12Grond als Hammer: Ted Nasmith's "Morgoth and the High King of Noldor", Download am 19. Juni 1999 von: http://www.geocities.com/~varkhan/linksfran.html

Grond als Morgenstern: Kent Burles' "Duel between Fingolfin and Morgoth", in: Fenlon (1993), p.15.

13vgl. Buddecke, Wolfram: "Der Teufel im phantastischen Film", in: Buddecke (1987), pp.55-77.

14so geschehen im Film "Legend" von Ridley Scott.

15Fenlon (1993), p.94.

16im Vergleich dazu hat ein durchschnittlicher menschlicher Krieger im MERP einen OB von ca. 120-150. Fenlon (1987), pp.47-77.

17666 = the number of the beast. vgl: Brewer (1993), p.901.

18Fenlon (1993), p.41.

19Level 135 in MERP. Fenlon (1986), p.76.

20Silmarillion, p.185.

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